Mietrechtsänderungsgesetz

23. Mai 2011 6:08

Mietrechtsänderungsgesetz
Irrweg: Mehr Klimaschutz und Energieeffizienz durch Abbau von Mieterrechten
Falsch: Gebäudesanierung auf dem Rücken und auf Kosten der Mieter
Unnötig: Regelungen zu Wohnungsbetrügern
Gefährlich: Räumung per einstweiliger Verfügung

(dmb) „Mit dem Abbau von Mieterrechten wird für den Klimaschutz und die Energieeffizienz nichts gewonnen“, kommentierte der Präsident des Deutschen Mieterbundes (DMB), Dr. Franz-Georg Rips, den Referentenentwurf eines Mietrechtsänderungsgesetzes, das nach erfolgter Ressortabstimmung seiner Einschätzung nach in den nächsten Tagen offiziell vorgestellt wird. Rips betonte auf einer Pressekonferenz in Hannover: „Wir sind für die Energiewende, für die energetische Sanierung der Wohngebäude, für den Einsatz erneuerbarer Energie, für mehr Energieeffizienz und für eine Verringerung der CO2-Emissionen. Mit Mietrechtsverschlechterungen und energetischen Modernisierungen allein auf dem Rücken und auf Kosten der Mieter kann die notwendige Sanierung der Wohngebäude aber nicht erreicht werden.“ Stattdessen forderte der Mieterbund-Präsident von der Bundesregierung, konkrete ordnungsrechtliche Zielvorgaben, eine ausreichende öffentliche Förderung und eine gerechte Verteilung der Modernisierungskosten zwischen Staat, Vermietern und Mietern.

Rips erklärte, Wohnungsbetrügern müsse das Handwerk gelegt werden, sie müssten strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden: „Ich halte es aber für unnötig und überflüssig, zahlreiche zivilrechtliche Vorschriften zu ändern. Hierdurch wird das von einigen Vertretern der privaten Eigentümerorganisation behauptete Mietnomadenproblem nicht gelöst und kein Betrugsfall verhindert. Ich warne davor, einen neuen Kündigungstatbestand zu beschließen und außerdem die Räumung der Wohnung per einstweiliger Verfügung zu erlauben. Das ist gefährlich, lädt zum Missbrauch ein und ist der falsche Weg.“

Irrweg: Mehr Klimaschutz und Energieeffizienz durch Abbau von Mieterrechten

„Die Vorstellung der Bundesregierung, sie könne über den Abbau von Mieterrechten ihren klima- oder energiepolitischen Zielen näher kommen, ist für mich nicht nachvollziehbar. Mietrechtliche Vorschriften haben in der Vergangenheit energetische Modernisierungen weder verhindert noch erschwert. Das belegen Modernisierungszahlen aus der Wohnungswirtschaft. Deshalb werden die geplanten Mietrechtsverschlechterungen auch keine Klimaschutz- oder Energieeffizienzeffekte bewirken können“, sagte Rips.

Mietminderung: Das Mietminderungsrecht bei energetischen Modernisierungen wird für drei Monate völlig abgeschafft.
Das bedeutet: Kommt es im Zuge der Sanierungsarbeiten zu einem Ausfall von Heizung und Warmwasser, ist das Haus komplett eingerüstet, gibt es keine Lüftungsmöglichkeiten mehr und leben Mieter wochenlang mit Dreck und Lärm auf einer Großbaustellen, müssen sie künftig trotzdem die volle Miete zu 100 Prozent zahlen.
Rips: „Eine vergleichbare Regelung gibt es im Zivilrecht nicht noch einmal. Niemand muss 100 Prozent zahlen, wenn die Gegenleistung nicht zu 100 Prozent in Ordnung ist.“ Rips bezweifelte, dass für die Investitionsentscheidung eines Eigentümers das Mietminderungsrecht irgendeine Rolle spielt: „Wenn in einem zu modernisierenden 10-Familien-Haus tatsächlich zwei Mietparteien die Miete um 20 Prozent kürzen sollten, wäre das bei einer durchschnittlichen Miete von 600 Euro ein Betrag von 240 Euro im Monat. Davon macht kein vernünftig denkender Eigentümer Investitionen in Höhe von 100.000 Euro oder mehr abhängig.“

Energetische Modernisierungen: Der Begriff wird neu gefasst bzw. erweitert: Modernisierungsmaßnahmen sind Veränderungen zur Verbesserung der Mietsache oder sonstiger Gebäudeteile, insbesondere bauliche Maßnahmen, durch die nachhaltig Primär- oder Endenergie eingespart oder Energie effizienter genutzt oder das Klima auf sonstige Weise geschützt wird.
Das bedeutet: Energetische Modernisierungen setzen keine (Heizkosten-)Ersparnisse bei Mietern voraus. Umstellungen beispielsweise auf Fernwärme, der Anschluss an eine Kraft-Wärme-Koppelungsanlage oder die Installation von Windkraftwerken und Photovoltaik-Anlagen müssen Mieter dulden und über Mieterhöhungen zahlen. Das Gleiche gilt, wenn der Vermieter bisher veraltete Regelungstechnik eingesetzt hat, Wartungsarbeiten nicht durchgeführt hat und die Heizungsanlage in einem hohen Maße unwirtschaftlich arbeitet. Werden jetzt Investitionen notwendig und kann die Energie dann „effizienter“ genutzt werden, müssen Mieter dulden und bezahlen.

Ankündigung der Modernisierung: Künftig soll es ausreichen, wenn der Vermieter auf „anerkannte Pauschalwerte“ Bezug nimmt, um über die Energieeinsparung zu informieren.
Das bedeutet: Die Sinnhaftigkeit oder die Wirtschaftlichkeit einer energetischen Modernisierung ist für den Mieter nicht mehr nachvollziehbar, vor allem auch nicht mehr überprüfbar. Streng genommen muss der Vermieter aber noch nicht einmal derartige pauschale Hinweise geben. Kündigt der Vermieter die Maßnahme nicht an, wird die mögliche Mieterhöhung sechs Monate später wirksam. Weitere Sanktionen gibt es nicht.

Duldung der Modernisierungsmaßnahme: Grundsätzlich müssen Mieter Modernisierungs-maßnahmen des Vermieters immer dulden, schon heute. Lediglich in Ausnahmesituationen, wenn sie sich auf Härtegründe berufen können, muss eine Interessenabwägung stattfinden.
Jetzt müssen Mieterinteressen nicht nur verglichen werden mit Vermieterinteressen, sondern auch mit den Belangen der Energieeffizienz und des Klimaschutzes.
Das bedeutet: Die bisherigen Härtegründe werden durch die Hintertür de facto abgeschafft. Es ist nur schwer vorstellbar, dass das individuelle Interesse eines Mieters den Belangen der Energieeffizienz und des Klimaschutzes vorgehen kann.

Der Härtegrund „zu erwartende Mieterhöhung“ entfällt. Kostenfragen sollen bei der Mieterhöhung und nicht bei Fragen der Duldung einer Modernisierung geklärt werden. Mieter können sich also nicht mehr darauf berufen, dass sie die Modernisierung ablehnen, weil sie nach der energetischen Modernisierung und der erfolgten Mieterhöhung ihre Miete nicht mehr bezahlen können.
Das bedeutet: Entfallen Modernisierungskosten in Höhe von 20.000 Euro auf die Mietwohnung, führt dies zu einer Mieterhöhung von 183 Euro im Monat. Mieter sollen künftig nicht mehr einwenden können, diese Mieterhöhung sei für sie unbezahlbar. Für sie gilt dann das Motto: Zahlen oder ausziehen.
Rips: „Die Bundesregierung will offensichtlich energetische Modernisierungen um jeden Preis durchsetzen – gleichgültig, wie belastend die Baumaßnahmen für die Betroffenen sind, ob die Modernisierung sinnvoll oder wirtschaftlich ist oder nicht, ob Energie oder Heizkosten überhaupt bzw. in nennenswertem Umfang eingespart werden, ob die Miete nach Abschluss der Baumaßnahme noch bezahlbar bleibt oder nicht. Solch eine Modernisierung kann und darf es nicht geben.“

Contracting: Die Umstellung von der klassischen Energieversorgung durch den Vermieter auf Wärmelieferung durch einen Dritten (Unternehmen) setzt nach der neuen gesetzlichen Regelung Energieeinsparungen bzw. effizientere Energienutzung und Kostenneutralität für den Mieter voraus.
Das bedeutet: Endlich gibt es eine gesetzliche Regelung. Die ist schon lange überfällig und schafft Rechtssicherheit.
Rips: „Auf bereits geschlossene Wärmelieferungsverträge ist die Regelung nicht mehr anwendbar. Außerdem soll sie jetzt auch nur in bestehenden Mietverhältnissen, im Wohnungsbestand gelten. Bei Neuvermietungen, das heißt bei Erstvermietung im Neubau, gilt die gesetzliche Regelung auch nicht. Damit hilft die neue Contracting-Regelung bei Weitem nicht allen Mietern.“

Falsch: Gebäudesanierung auf dem Rücken und auf Kosten der Mieter

Mieterhöhung nach Modernisierung: Die bisherige Regelung, dass 11 Prozent der Modernisierungskosten auf die Jahresmiete aufgeschlagen werden dürfen, bleibt unverändert.
Das bedeutet: Entfallen 10.000 Euro Modernisierungskosten auf die Mieterwohnung, kann der Vermieter 1.100 Euro mehr Miete im Jahr fordern bzw. 91,67 Euro im Monat. Eine 20.000 Euro teure Investition führt sogar zu einer Vermieterforderung von 183,33 Euro mehr Miete im Monat. Derartige Mieterhöhungen sind für viele Mieter nicht bezahlbar.
Rips: „Konsequenz dieser gesetzlichen Regelung ist: Je teurer die Modernisierung ausfällt, desto höher steigt die Miete. Richtiger wäre es, stattdessen zu sagen: Je besser und effizienter die Modernisierungsmaßnahme, je größer die Energieeffizienzverbesserungen sind, desto mehr kann auch die Miete steigen. Dazu müsste die bisherige Mieterhöhungsvorschrift, die 11-Prozent-Regelung, abgeschafft werden. Stattdessen sollten auch nach einer energetischen Modernisierung Mieterhöhungen immer nur im System der ortsüblichen Vergleichsmiete möglich sein. Im Ergebnis müssen die Kosten für Klimaschutz und mehr Energieeffizienz geteilt werden: Ein Drittel muss der Staat über öffentliche Förderungen zahlen, ein Drittel der Vermieter, der von Wertsteigerungen und der besseren Vermietbarkeit seiner Immobilie profitiert, und ein Drittel der Mieter, der weniger Heizkosten zahlen muss.“

Unnötig: Regelungen zu Wohnungsbetrügern

Der 56-seitige Referentenentwurf des Mietrechtsänderungsgesetzes enthält eine umfangreiche, 36 Seiten starke Begründung. Auf 15 Seiten wird beschrieben, wie in 7 Gesetzen 13 Vorschriften geändert werden müssen, um den Vorstellungen der privaten Eigentümerorganisation Rechnung zu tragen und zu zeigen, dass das Problem der „Mietnomaden“ bekämpft wird.
Geplant ist, dass der Vermieter künftig fristlos kündigen darf, wenn der Mieter die Kaution nicht zahlt bzw. mit zwei Monatsmieten (Teilzahlungen) in Verzug ist.
Rips: „Ein neuer Kündigungstatbestand ist überflüssig. Hierdurch wird kein Mietnomadenfall verhindert. Schon heute gilt: Wer nicht zahlt, kann fristlos gekündigt werden. Das gilt für den, der an zwei aufeinander folgenden Terminen mit mehr als einer Miete in Verzug ist, genauso wie für den, der insgesamt zwei Monatsmiete schuldet. Hier gibt es keinen Handlungsbedarf. Raum für die neue ‚Kautions-Kündigungs-Vorschrift‘ ist nur in dem äußerst ungewöhnlichen Fall, dass der ‚Mietnomade‘ immer pünktlich die Miete, aber nicht die Kaution zahlt.“

Weitergehende Gesetzesänderungen, wie die Einführung der Berliner Räumung (der Gerichtsvollzieher „räumt“ den Mieter, die Entfernung des zurückgebliebenen Mobiliars ist Sache des Vermieters) können unter Umständen sachdienlich sein, diese Art der Räumung ist aber nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs schon heute möglich, eine gesetzliche Regelung also nicht notwendig.

Gefährlich: Räumung per einstweiliger Verfügung

Der Gesetzentwurf sieht vor, dass Gerichte künftig mit Beginn des Gerichtsverfahrens anordnen können, dass Mieter ihre Miete hinterlegen müssen. Außerdem soll die Räumung per einstweiliger Verfügung angeordnet werden können, wenn der Vermieter Räumungsklage wegen Zahlungsverzug erhoben und der Mieter einer Hinterlegungsanordnung nicht Folge geleistet hat.
Rips: „Hier besteht die große Gefahr, dass der Rechtsweg für betroffene Mieter verkürzt wird. Es darf nicht sein, dass ein Räumungstitel ergeht, nur weil der Mieter die Sicherheit nicht oder nicht vollständig erbracht hat. Es darf auch keine Räumungstitel geben, ohne dass die vom Vermieter behaupteten Zahlungsansprüche geprüft und von einem Gericht für begründet erklärt worden sind.“

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